Also: ich bin ja schon seit über 20 Jahren der Fitnessbranche verbunden. Aber so etwas wie seit ca. drei Jahren habe ich noch nicht gesehen… Genau. Die Veranlagung von freiberuflichen Fitnesstrainern zur Rentenversicherung.
Es drängt sich der deutliche Verdacht auf: Die Rentenkassen sind leer und eben diese Kassen bedürfen neuen Geldes. Und bei der Suche ist man anscheinend wieder einmal fündig geworden: Ein Gesetz aus dem Jahr 1899 ist entdeckt worden, dass eine Versicherungspflicht für Lehrer und Erzieher vorsieht. Dieses Gesetz wurde am 01.01.1992 in das Sechste Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) übernommen.
Aber diese Vorschrift wurde lange Zeit nicht umgesetzt und es wurde diesbezüglich auch nicht geprüft – jedenfalls nicht in meinen Fitnessstudios.
Im Jahr 1996 übernahm die BfA die Betriebsprüfungen von den Krankenkassen. Mit zunehmenden Prüfungen im Fitnessbereich war es nur eine Frage der Zeit, dass dieser „Tatbestand“ auffällig wurde.
Für die freiberuflichen Fitnesstrainer bedeutet dies seit etwa drei Jahren verstärkte „Gefahr“: Das heißt, dass bei jedem früher oder später ein Zahlungsbescheid ins Haus flattert mit zum Teil stolzen Summen, denn die Rentenanstalt darf Beiträge von bis zu vier Jahren nachfordern.
Wie geht es los?
Am Anfang steht meist eine Personalprüfung (im Rahmen einer Betriebsprüfung) im Fitnessstudio. Zunehmend wollen die Betriebsprüfer dabei den Status der freiberuflichen Trainer „geklärt“ haben.
Und genau um diese „Statusfeststellung“ geht es. Dazu muss dann der Fragebogen V027 des Deutschen Rentenversicherungbundes, ausgefüllt werdenl. Dieser Fragebogen soll den sozialversicherungsrechtlichen Status klären.
Falls sich herausstellen sollte, dass der Trainer einer selbständigen Beschäftigung nachgeht, braucht der Fitnesstrainer keine Sozialabgaben (inkl. Rentenversicherungsbeitrag) zu zahlen.
In den meisten Fällen kommt dann der nächste Fragebogen, der V020, von der Rentenversicherung. Hier muss der Trainer seine Arbeit genauer beschreiben, sein Nettoeinkommen angeben etc. Die Angaben beider Fragebögen werden abgeglichen und auf Unstimmigkeiten untersucht.
Sollten Unstimmigkeiten auftreten, wird der „Antragsteller“ aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen. Ignoriert der „Antragsteller“ diese Aufforderung, dann wird er meist ablehnend beschieden oder das Verfahren wird eingestellt. Die Situation wird dann meist natürlich nicht zu Gunsten des Trainers ausfallen, denn die Beiträge werden willkürlich (= nach Schätzungen der Rentenversicherung) festgesetzt. Wurden Rechnungen gestellt, wird auf diese Summe der volle Sozialbeitrag fällig: Krankenkasse, Rentenversicherung, Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung.
Es kommen da ganz erhebliche Beiträge zusammen: nämlich der Arbeitgeberanteil und der Arbeitnehmeranteil, zusammen sind das etwas mehr als 35%, die im schlimmsten Fall nachzuzahlen sind. Dieser Bescheid verweist meist auf den § 2 Satz 1 SGB VI, der seine Versicherungspflicht feststellt. Als besonderes „Leckerli“ wird eine Beitragsrechnung zugefügt, die den Anspruch erhebt, sofort und unverzüglich bezahlt zu werden.
Zurück zu den Formularen: Nachdem also die beiden Formulare verarbeitet worden sind, folgt der Bescheid der Rentenversicherung über die Versicherungspflicht.
Wer erst jetzt „aufwacht“, für den ist es leider fast immer zu spät. Es besteht zwar theoretisch die Möglichkeit eines Einspruchs, aber die Chancen für ein positives Ergebnis sind denkbar schlecht.
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Wer zahlt eigentlich?
Eine gute Frage. Zunächst ist der Arbeitgeber in der Pflicht, die Abgaben zu entrichten. Bei den jeweiligen Kassen ist der Arbeitnehmer nach zu melden und dann die Beiträge abzuführen. Zahlen muss also erst mal das Fitnessstudio.
Aber: Je nach Vereinbarung / Vertrag kann sich das Studio den gesamten Betrag vom Fitnesstrainer zurückholen, wenn dieser eine entsprechende Vereinbarung unterschrieben hat. Existiert diese Vereinbarung nicht, so kann sich der Arbeitgeber den Arbeitnehmeranteil (vom Trainer!) „holen“ – und das sind immer noch ca. 50%.
Wie geht es weiter?
Wenn der Bescheid eingetroffen und der „Antragsteller“ nicht mit seiner Einstufung einverstanden ist, dann sollte er sich mit dem Gedanken anfreunden, einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen.
Es muss dabei unbedingt auf die Einspruchsfrist geachtet werden. Die Widerspruchsstelle der Deutschen Rentenversicherung prüft dann den Widerspruch und erlässt dann nach einigen Monaten einen Widerspruchsbescheid. Sollte dieser negativ ausfallen, bleibt nur noch die Klage vor dem Sozialgericht, die innerhalb eines Monats eingereicht werden muss.
Wie sehen die Einstufungen derzeit aus?
Zur Zeit scheint es so auszusehen:
1. Alle Kurstrainer (Aerobic, Spinning etc.), die „hauptberuflich“ wo anders arbeiten (Büro etc.) werden als freie Mitarbeiter anerkannt.
2. Alle „Flächentrainer“ (die auf der Gerätefläche arbeiten), werden in der Regel als „Freiberufler“ abgelehnt. Man geht bei den zuständigen Stellen der Rentenversicherung anscheinend davon aus, dass die „Gerätetrainer“ so in die Betriebsorganisation eingebunden sind, dass nicht von einer freiberuflichen Tätigkeit die Rede sein kann.
Und in der Tat: wenn ich mir die meisten sog. „Freiberufler“ auf der Trainingsfläche ansehe, dann sind die da eher wie „Angestellte“ unterwegs:
- die Trainer tragen eine „Dienstkleidung“ (meist das Trainershirt)
- die Trainer arbeiten zu „vorgeschriebenen“ Zeiten
- haben sich an die Anweisungen / Abläufe der Anlage zu halten (Regeln zum Ausfüllen der Mitgliedschaften usw.)
- nehmen an Teambesprechungen teil – wie die Festangestellten auch.
Bitte: diese Punkte sind nicht „von mir“, sondern Maßgaben der Prüfer. Hier noch weitere „lustige“ Prüfpunkte die zu einer Ablehnung führen können:
- der Trainer setzt keine eigenen Geräte / Trainingsmittel ein
- der Trainer trägt kein unternehmerisches Risiko (keine eigenen Angestellten, Stundenlohn steht fest, kein Auftragsrisiko)
Entscheidend ist also, ob der Trainer wie ein „Selbständiger“ auftritt. Trainer denen gesagt wird wann sie zu arbeiten haben, wie und was sie tun sollen – kurz gesagt, die Arbeiten ausführen, wie sie die Festangestellten auch machen: der hat ganz schlechte Karten.
Manche Trainer meinen, es reiche mehrere Auftraggeber zu haben oder gar ein eigenes Studio / Personaltrainer / Büro: weit gefehlt. Das ist nämlich (fast) völlig unerheblich. Die entscheidene Frage ist, ob der Trainer in den Betriebsablauf des Studios integriert ist.
Beispiel: Mir sind inzwischen verschiedene Gerichtsurteile bekannt, bei denen es genau um diese Fragen ging.
Zwei Beispiel möchte ich kurz nennen:
A) Ein Personaltrainer (mit eigenem kleinen Personal-Trainerstudio) wurde negativ beschieden (= muss nachzahlen). Begründung: Er war „eingegliedert“ in die Trainingsorganisation des Betriebs. Begründung: Im Vordergrund stand nicht die Gewinnung eigener Kunden als Personaltrainer, sondern die Betreuung der Mitglieder des Fitnessstudios; er hat keine eigenen Betriebsmittel eingesetzt; die Arbeitszeiten waren vorgegeben.
B) Ein Personaltrainer in einer anderen Anlage wurde positiv beschieden (= muss nicht nachzahlen): Die Zeiten teilte sich der Trainer selbst ein, er trug keine Kleidung des Studios. Er führte (auch) Seminare mit den Mitgliedern durch und verwendete dazu eigene Materialien (Beamer, Laptop, Leinwand). Er brachte Kleingeräte für die Mitglieder mit, mit denen er trainierte. Der Trainer nahm an keinen Teambesprechungen teil.
Man sieht an den beiden Fällen schon: Fall B ist die Ausnahme in Fitnessanlagen. Fall A ist da schon eher die Regel.
Insofern sehe ich „höchste Gefahr“ für alle freiberuflichen Gerätetrainer.
Wie teuer kann das werden?
Das hatte ich ja schon kurz angedeutet: ca. 35% auf alle Rechnungen die gestellt wurden.
Kurzes Beispiel: Trainer seit 3 Jahren. Rechnungsbetrag liegt im Monat bei ca. 600 Euro, macht in 3 Jahren: 21.600,- Euro. Bei einem Satz von gut 35% (ca. 15% Krankenversicherung, 19% Rentenversicherung, 2% Pflegeversicherung, 3% Arbeitslosenversicherung) sind für diese 3 Jahre ca. 7600.- Euro an Nachzahlungen fällig. Je nachdem welche Vereinbarungen getroffen wurde, zahlte der Trainer die Hälfte – oder alles.
Und wie endet es?
Früher oder später wird jeder Aerobictrainer, Personaltrainer und Gerätetrainer die Zwangsbekanntschaft mit den Fragebögen und der sich daraus ergebenden „Statuserklärung“ machen. Das scheint derzeit so sicher wie das Amen in der Kirche. Wenn es dann so weit ist, und man hat sich nicht vorher mit der Materie befasst, dann hilft auch beten nicht mehr viel weiter.
Ich kann jedem Trainer und jedem Fitnessstudiobetreiber nur raten, sich sofort dieses Problems anzunehmen. Denn: in der Verpflichtung die Zahlung zu leisten ist erst einmal der Auftraggeber „dran“. Da können für mehrere Trainer schnell 6-stellige Summen zusammen kommen. Und ob man dann den Anteil von den Trainern „bekommt“ – das steht auf einem ganz anderen Blatt. Denn mal im Ernst: Welcher Trainer hat mehrere Tausend Euro auf dem Konto? Für manche Trainer kann das die Privatinsolvenz bedeuten.
Ich habe zahlreichen Gerätetrainern daher bisher geraten sich in den Anlagen fest anstellen zu lassen. Klar: Da wird es für den Anlagenbetreiber wahrscheinlich teurer, weil die Sozialabgaben fällig werden. Aber: wenn es teurer wird, dann war der Stundenlohn (vorher) bereits nicht richtig angesetzt…
Und noch eine Einschätzung von mir: Zur Zeit ist es um die Statusfeststellungen ruhiger geworden. Meine Vermutung: die Rentenversicherung zieht erst einmal mehrere Klagen vor den Sozialgerichten durch und wartet deren Entscheidungen ab. Sowie die Rechtslage um die Einstufungen klar ist, sind die anderen Fitnessstudios „dran“.
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