Wussten Sie, dass das Training bis zum absoluten Muskelversagen nicht immer der beste Weg zu maximaler Kraft und Muskelmasse ist? In der Welt des Kraftsports sorgt eine neue Methode für Aufsehen – eine Methode, die das altbewährte Konzept des Trainings auf den Kopf stellt.

Was wäre, wenn der Schlüssel zu Ihrem nächsten großen Durchbruch nicht darin läge, wie schwer Sie heben, sondern darin, wie gut Sie Ihre Grenzen kennen? Lernen Sie die revolutionäre Technik der Autoregulation kennen und entdecken Sie, wie Wiederholungen in Reserve (RIR = Reps in Reserve) Ihr Training auf ein neues Level heben können.

In den letzten zehn Jahren hat sich das Konzept der Autoregulation im Kraftsport durchgesetzt. Dabei spielen die Wiederholungen in Reserve (RIR) eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Kraft- und Muskelaufbauprogrammen, im Gegensatz zu früheren Empfehlungen wie 80 Prozent des 1RM für 3 Sätze mit 5 Wiederholungen. Bei diesem Ansatz ist es wichtig, dass der Sportler genau weiß, wie nah er am Muskelversagen ist.

Die meisten Kraft- und Hypertrophieprogramme basieren auf Berechnungen, die unter anderem das persönliche 1RM und die Prilepin-Tabelle einbeziehen. Klassische Programme wie Stronglifts 5×5 geben jedoch keine Hinweise auf die Nähe zum Versagen, sondern empfehlen nur, jede Woche das Gewicht zu erhöhen. Es gibt dabei unterschiedliche Ansichten: Einige Spitzensportler empfehlen, öfter nahe ans Muskelversagen zu gehen, während andere davor warnen und raten, es zu vermeiden.

Außerhalb der Fitnessstudios, insbesondere im Ausdauertraining, kam es derweil zu einer anderen Entwicklung. Die Rede ist von der Borg-Skala zur Bewertung der wahrgenommenen Anstrengung (RPE), ein brauchbares Instrument, um das subjektive Empfinden von körperlicher Anstrengung, Schmerzen und Ermüdung während des Trainings zu quantifizieren.

Borgs Skala basierte auf der Annahme, dass Menschen in der Lage sind, ihren körperlichen Zustand während des Trainings introspektiv zu bewerten und dass diese Bewertungen konsistent auf einer numerischen Skala abgebildet werden können. Dies ermöglicht sowohl eine gute Selbstregulierung der Trainingsintensität als auch deren Kommunikation an den Trainer oder Sportarzt.

Eingeführt wurde die Borg-Skala im Jahre 1962. Sie reichte damals von 6 (keine Anstrengung) bis 20 (maximale Anstrengung). Die Zahlen entsprachen dabei in etwa der Herzfrequenz eines gesunden Erwachsenen, also 60 (Ruhefrequenz) bis 200 Schläge pro Minute.

Zwanzig Jahre später überarbeitete Borg sein Werk und brachte die Borg-CR10-Skala beziehungsweise die Borg-Kategorie-Verhältnis-Skala heraus, die nun von 0 (überhaupt nicht) bis 10 (extrem stark) reicht, wobei jede Stufe mit verbalen Ankern wie mäßig, stark oder sehr stark versehen ist. Im Ausdauertraining ist die CR10-Skala allerdings eher ungeeignet, um die Nähe zum Versagen gut beurteilen zu können.

Die RIR-basierte RPE-Skala

Zourdos et al. beschäftigten sich 2016 eingehend mit einer neuartigen Skala zur Bewertung der wahrgenommenen Anstrengung im Krafttraining, die in der Lage ist, das RIR zu bestimmen. Hierbei wurden insbesondere die verschiedenen Intensitäten des 1RM bei erfahrenen und unerfahrenen Kniebeugensportlern ins Visier genommen. Die RPE-Werte, die in etwa dem RIR entsprechen, wurden nach jedem einzelnen Satz notiert.

Die Studie von Zourdos et al. zeigt im Ergebnis, dass die Verwendung einer RIR-basierten RPE-Skala eine praktikable Methode ist, um die Anstrengung während des Krafttrainings zu quantifizieren und die Trainingsbelastung direkt in Echtzeit zu regulieren.

Anders als herkömmliche Trainingsprogramme, bei denen die Belastung für bestimmte Übungen im Voraus festgelegt wird, berücksichtigt die Autoregulation die Variabilität der täglichen Leistungsbereitschaft des Sportlers aufgrund von Faktoren wie Schlafqualität, Ernährungszustand, Stressniveau und Restmüdigkeit von früheren Trainingseinheiten, siehe auch:

Die auf dem RIR basierende RPE-Skala und das Konzept der Autoregulation wurden vor allem durch den Kraftdreikampf-Trainer Mike Tuchscherer populär. Trotz der aktuellen Beliebtheit der Autoregulation bleiben noch zwei wichtige Fragen offen:

– Wie treffsicher ist die Vorhersage der RIR?

– Wie lässt sich die RIR-Vorhersage weiter verbessern?

Zum Abschluss noch einige praktische Hinweise

Die aktuelle Literatur legt nahe, dass Auszubildende und Trainer die RIR zwar nicht perfekt, aber relativ genau vorhersagen können. Um in der täglichen Praxis der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen, mögen die folgenden Tipps hilfreich sein:

– Gehen Sie stets davon aus, dass Sie die RIR um etwa eine Wiederholung unterschätzt haben.

– Führen Sie den letzten Satz einiger Übungen bis zum Versagen aus, wobei Sie zuvor die RIR für diesen Satz vorhersagen. Dies hilft Ihnen, Ihre Vorhersage der RIR zu „kalibrieren“ und die Lasten für die nachfolgenden Sätze angemessen auszuwählen. Im Übrigen machen Sie sich dadurch mit dem Gefühl vertraut, das Ihnen die Nähe zum Versagen bereits anzeigt.

– Experimentieren Sie vor allem auch mit jenen Sätzen, die nur niedrige Wiederholungszahlen zulassen.

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Dieser Beitrag wurde am 08.09.2024 erstellt.